Aus dem Vollen schöpfen. Wissen, wo die Kraftquellen in mir sitzen. Weg von dem Gefühl, immer wieder verbraucht zu sein oder zu werden. Weg von dem Gedanken, ausgenutzt zu werden. Dass ich mich aufarbeiten muss für irgendetwas oder irgendjemanden. Hin zu der Klarheit über das, was mich trägt, was mich stützt, was mich stärkt und was mich antreibt. Lass mich aus dem Vollen schöpfen, aus meinen Werten!
Wie lange müsste man Dich beobachten, bis man herausgefunden hat, welche Dinge Dir im Leben wirklich wichtig sind? Einen Tag, eine Woche, oder vielleicht noch etwas länger? Woran erkennt man, an welchen Werten du dich ausrichtest und welche Bedeutung das für dich hat? Das sind Fragen, die wir uns stellen können, wenn wir uns mehr Klarheit und Sicherheit in Bezug auf die Ausrichtung unseres Handelns, Denkens und Beurteilens wünschen. Wir tauchen damit in das Thema des persönlichen Wertesystems ein und gehen der Frage nach, wie wir dieses mehr in unser Bewusstsein rücken können, um es aktiv mitzugestalten. Denn dadurch gestalten wir auch unser Leben.
Die eigenen Wertvorstellungen können wie eine Leitplanke im Leben wirken. Besonders auf kurvigen Teilabschnitten oder dann, wenn wir so richtig schnell unterwegs sind, sind diese Leitplanken unfassbar hilfreich. Warum? Weil sie uns auf der Straße halten, auf dem Weg, den wir gehen wollen. Sie bilden einen Rahmen für unser Verhalten. Wenn wir uns über unsere persönlichen Werte bewusstwerden, können wir sie zudem auch bewusst vertreten und von ihnen Gebrauch machen. Besonders in Krisen und stressigen Situationen, in denen wir sonst eher eingeschränkt handeln können, liefert ein bewusstes Wertesystem Impulse und Möglichkeiten, den Handlungsspielraum stückchenweise zu erweitern.
Ich möchte dazu gerne eine kleine Anekdote aus meinem eigenen Leben einstreuen. In meinem Kalender (von KLARHEIT) gibt es die Möglichkeit, für jede Woche einen sogenannten Leitgedanken zu formulieren. Als Beispiel stand da: „Ich verbreite Leichtigkeit und Freude.“ Dieser Leitgedanke begleitet einen dann durch die gesamte Woche. Und ich war wirklich sehr überrascht, wie stark die Wirkung eines so entstehenden „Wochenmottos“ sein kann.
Meine erste Woche in dem Kalender hatte ich mit dem Leitgedanken „Wertschätzung (er)leben“ überschrieben. Schon am Montag merkte ich, dass ich den Satz immer wieder im Hinterkopf hatte und dadurch automatisch begonnen hatte, Erlebtes unter diesem Leitgedanken zu betrachten: Erlebe ich hier vielleicht gerade Wertschätzung? Wie äußere ich eigentlich Wertschätzung anderen gegenüber?
In einer anderen Situation erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass ich doch eigentlich viel zu müde sei, um jetzt bei meiner lieben Freundin Elisabeth anzurufen, dass ich aber doch irgendwie ja auch wollen würde… Und während mein Schweinehund noch versuchte, mich in den Sumpf der Müdigkeit zu ziehen, ploppte plötzlich wieder der Satz „Wertschätzung (er)leben“ in meinen Gedanken auf. Ich zückte das Handy und (er)-lebte über eine halbe Stunde wunderbare Wertschätzung mit meiner lieben Elisabeth.
Es ist mir so viel leichter gefallen, diese Entscheidung zu treffen, ganz nach dem Motto: Im Zweifel: Wochen-Leitgedanke! Und so ging es mir erstaunlich oft. Ich hatte dadurch das Gefühl von mehr Orientierung, besonders in Situationen, in denen ich mich sonst so entschieden hätte, dass ich es mir nachher vielleicht anders gewünscht hätte. Und zudem konnte ich rückblickend auf die Woche so viele Situationen nennen, die mit Wertschätzung zu tun hatten. Das, was ich erlebt hatte, wäre vielleicht auch ohne den Leitgedanken passiert. Die meisten Dinge davon ganz sicher sogar. Der Rahmen meiner Wahrnehmung hatte sich dadurch jedoch stark geändert. Und das hat richtig gutgetan. Weil es ein schöner Rahmen war, einer, der meinen Werten entsprach und einer den ich selbst ganz bewusst gewählt hatte. Das gab mir ein tief verankertes Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Seitdem setze ich mich immer Sonntagabend hin, um mir meinen Leitgedanken für die Woche zu basteln. Die Basis sind Werte, die mir wichtig sind, wie Akzeptanz, Ausdauer, Kreativität, Leichtigkeit, Selbstfürsorge oder Dankbarkeit. Ich forme mir dann einen Satz, von dessen Bedeutung ich mir wünsche, dass sie mehr in mein Bewusstsein rückt und mir einen Rahmen für meine Wahrnehmung gibt.
Die eigenen Wertvorstellungen zu ergründen, zu reflektieren und zu hinterfragen, schafft mehr Bewusstsein und das wiederum führt dazu, dass es uns möglich wird, auch wirklich das in das eigene Leben zu integrieren, was uns wichtig ist. Es unterstützt das Gefühl der Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit. Wir können dadurch die Perspektive ändern und uns mehr als Agierende statt als Reagierende wahrnehmen.
Es ist also ein Bewusstwerdungsprozess – mehr vielleicht sogar noch, als ein Veränderungsprozess. Es geht viel weniger darum, etwas an den eigenen Werten zu ändern (dazu noch etwas weiter unten) sondern darum, sie wahrzunehmen, zu realisieren, dass sie uns richtungsweisend dienen und dass wir sie zu Rate ziehen können, wenn uns die Orientierung fehlt oder wenn wir uns von einer Situation überfordert fühlen. Wir erleben was wir tun als sinnvoll und sinnorientiert. Es steigert unsere Wirksamkeit nicht per se, aber wir bekommen einen klareren Blick für sie. Wir verändern unsere Wahrnehmung. Und das ist unfassbar viel wert.
Sich mit den eigenen Wertvorstellungen zu beschäftigen, bietet gleichzeitig auch die Chance, zu reflektieren, woher denn unsere Werte stammen, warum wir sie in unserem Leben haben und ob wir an der ein oder anderen Wertevorstellung nicht etwas ändern können und wollen. Denn die meisten der Werte und Leitsätze fürs Leben werden uns in der Kindheit vermittelt. Wir nehmen sie aus unserer Familie auf, aus dem nächsten Umfeld und aus der Kultur, in die wir hineingeboren werden. Hier macht es Sinn, immer wieder zu überdenken: Was ist unserem eigenen Leben und dem der Menschen um uns herum in der Gegenwart, im Hier und Jetzt wirklich dienlich? Was schränkt uns vielleicht im Handeln und Denken ein, blockiert uns und unsere Entfaltung oder führt zu ständigen Konflikten - sowohl in uns selbst als auch mit anderen.
Aus dem Vollen schöpfen. Wissen, wo die Kraftquellen in mir sitzen, die sich wieder aufladen lassen. Weg von dem Gefühl, immer wieder verbraucht zu sein oder zu werden. Das wird für mich möglicher(er), seitdem ich mich mit dem Thema meines eigenen Wertesystems beschäftige. Und das darf ich auch immer wieder bei meinen Klient*innen beobachten. Bewusst werteorientiert und -geleitet zu handeln ist für mich ein Handeln, für das ich natürlich ebenso viel Kraft brauche. Am Ende aber funktioniert es dann ähnlich wie bei der Energierückgewinnung in einem guten E-Auto. Sobald das Ganze in Schwung gebracht wurde, tanke ich durch das Ergebnis automatisch wieder Unmengen an Kraft, um auch dann wieder weiter voranzukommen, wenn es erneut steil bergauf geht.
Ein Buchtip für Dich, der auch wunderbar zu dem Thema passt und noch so viel mehr darüber hinaus abdeckt: Die 7 Wege zur Effektivität von Stephen Covey
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